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Statement zum Österreichischen Filmpreis 2023

Wien, am 15. Juni 2023


Die Akademie des Österreichischen Films ist ein Raum des professionellen Austauschs, in dem sich eine große Bandbreite an Mitgliedern wiederfindet. Gesellschaftliche und brancheninterne Diskussionen spiegeln sich hier wider. Manchmal konzentriert wie durch ein Brennglas.

598 Mitglieder mit unterschiedlichen Meinungen, Wünschen, Bedürfnissen, mit unterschiedlichen Sorgen und Ansprüchen. Alle teilen wir eine grundlegende Haltung: Für Demokratie, für Gleichberechtigung aller Geschlechter und Nationalitäten – für die Gleichberechtigung aller Menschen – und gegen jeglichen Machtmissbrauch. Dennoch ist es oft nicht leicht, eine einheitliche Stimme zu finden. Es gibt unterschiedliche Zugänge, mit ein und derselben Problematik umzugehen.

Es ist unser Ziel, uns nicht von tagesaktuellen Ereignissen treiben zu lassen, nicht nur reaktiv und vor allem nicht vorschnell auf Ereignisse zu reagieren. Im letzten Jahr gab es immer wieder negative Nachrichten aus der Branche. In einer Zeit, wo am meisten gehört wird, wer am schnellsten und am lautesten reagiert, wo medien- und aufmerksamkeitsökonomisch die Polarisierung bevorzugt wird, versuchen wir im Gegensatz dazu abzuwägen, auszugleichen und unterschiedliche Seiten zu beleuchten. So wollen wir informierte und letztendlich klare Worte finden.

Vorstand, Präsidentschaft und Geschäftsführung stellen sich dieser Verantwortung mit aller Ernsthaftigkeit und im Bemühen, stets Raum für Debatten offen zu halten. Das ist als Vorgang immer wieder inspirierend und wichtig, mitunter aber auch schmerzhaft und nicht leicht auszuhalten.

Wir arbeiten fortlaufend an einem umfassenden Leitbild, auch in Absprache mit anderen europäischen Filmakademien, das wir bei der nächsten Generalversammlung im Dezember präsentieren werden. Ein Statement zum großen und gewichtigen Thema sexualisierter Machtmissbrauch – #metoo – wurde von uns im letzten Jahr ausgearbeitet, wir durften es an dieser Stelle im Vorjahr verlesen und ihr findet es jederzeit auf unserer Homepage.

Heute Abend werden zwei Filme als mehrfach Nominierte zu sehen sein, in denen der Schauspieler Florian Teichtmeister mitspielt, der innerhalb eines Verfahrens um Besitz von Darstellungen von sexuellem Missbrauch an Kindern geständig ist. Die Produktionsfirmen dieser beiden Filme haben ihre Werke „Corsage“ und „Serviam – Ich will dienen“ und die daran Beteiligten zum Nominierungsverfahren des Filmpreises eingereicht. Wir als Akademie haben daraufhin das Gespräch mit den Produzent:innen gesucht, die versichert haben, sich bewusst dafür einzusetzen, die Sichtbarkeit ihrer Filme zu nutzen, um das Thema Kinderschutz in Filmproduktionen und sicheres Arbeiten zu thematisieren und eine Debatte anzustoßen und zu führen. Viele Mitglieder haben die Werke gewählt und dies hat zu zahlreichen Nominierungen der Menschen geführt, die mit Herzblut und ihrer jeweiligen Profession an den Filmen gearbeitet haben.

Die Themen Machtmissbrauch, sichere Arbeitsbedingungen und Nachwuchsförderung beschäftigen uns laufend und wir arbeiten in zahlreichen Veranstaltungsreihen und Weiterbildungen daran, Verbesserungen zu erwirken. Auch unsere Arbeit in Form von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und unsere Lobbying-Tätigkeit stehen stets unter diesen Vorzeichen. Als Akademie sind wir auch in die Ausarbeitung eines Kinderschutzkonzeptes eng eingebunden.

Es gilt, auf allen Ebenen in der Branche eine Transformation von einer „Kultur des Wegschauens“ zu einer „Kultur des Hinschauens und des Darüber-Redens“ zu etablieren und täglich zu üben. So lange war Wegschauen die erste und übliche Reaktion, dass wir das jetzt tatsächlich üben müssen: Hinschauen üben. Darüber reden üben. Worte finden, Vorgänge benennen. Wir wollen uns selbst, die Branche und die Gesellschaft immer wieder herausfordern, veraltete Denkmuster abzulegen.

Gleichzeitig werden wir als Akademie des Österreichischen Films immer die Freiheit der Kunst verteidigen. Diese endet jedoch, wo die Freiheit oder psychische und körperliche Unversehrtheit von Mitwirkenden verletzt wird.

Das vergangene Jahr war ein außergewöhnlich erfolgreiches Jahr für den österreichischen Film. Auf internationaler Ebene eines der erfolgreichsten der Geschichte: Kurdwin Ayub gewann mit „Sonne“ den Preis für den besten Nachwuchsfilm auf der Berlinale, Ruth Beckermann mit „Mutzenbacher“ den Hauptpreis der Encounters Reihe. „Corsage“ lief in Cannes und war auf der Oscar-Shortlist, es folgten Teilnahmen und Auszeichnungen in Locarno für Nikolaus Geyrhalter und Ruth Mader, Preise für „Eismayer“ und „Vera“ in Venedig, „Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen“ wurde beim Deutschen Filmpreis als Bester Dokumentarfilm ausgezeichnet.

Und die Menschen sind zurück im Kino! Die Kinozahlen sind wieder auf dem Vor-Pandemie-Niveau, hunderttausende Besucher:innen wollten zum Beispiel „Griechenland oder der laufende Huhn“ und „Der Fuchs“ sehen. Und auch die diesjährige Festival-Saison startet stark mit einer gelungenen Premiere von Jessica Hausners „Club Zero“ in Cannes.

Die aktuellen Ereignisse zeigen, dass eine mutige und aufrechte Kulturszene wichtiger denn je ist! Was wir machen können? Wir können Filme machen. Wir können im Film Gesellschaft abbilden, wir können Empathie erzeugen, wir können der Realität entfliehen und sie gerade dadurch benennen. Wir können mit Filmen die Welt verändern.

Wir als Akademie des Österreichischen Films tun unser Möglichstes, dass freies, humanes und faires Filmemachen für alle Menschen, die teilhaben wollen, in Österreich möglich ist. Dafür setzen wir uns ein, dafür geben wir unsere Energie, das ist unsere Hoffnung. Mutiges Filmschaffen ist in diesem Land wichtiger denn je.

Rede von Verena Altenberger und Arash T. Riahi
Präsidentin und Präsident der Akademie des Österreichischen Films